Einführung in "Dynamik der Affizierung"

Die Frage nach dem affizierenden Potential audiovisueller Bilder beschäftigt eine ganze Reihe akademischer Disziplinen. Die Ansätze und Methoden der Untersuchungen zum Verhältnis von audiovisuellen Medieninhalten und den Gefühlen, Stimmungen und Emotionen, die im Zuge ihrer Rezeption erfahren werden, sind so vielfältig, wie das Phänomen selbst. Es scheint oftmals, als wäre die Grundannahme, dass uns bewegte Bilder bewegen, der einzige gemeinsame Nenner.

Lässt man die Verschiedenheit der Ansätze, dieses Potential theoretisch zu fassen, einmal für einen Moment außer Acht, würde zunächst folgende Differenz ins Auge fallen, die scheinbar am methodischen Vorgehen zweier unterschiedlicher Forschungsrichtungen festzumachen ist.

Dabei stehen sich gegenüber:

Geistes- und Kulturwissenschaften

Experimentelle Wissenschaften

Diese prägen analytische Zugänge zu ausiovisuellen Medieninhalten und bilden aus der analytisch beschreibenden Forschung heraus theoretische Grundannahmen zur Affizierung des Zuschauers. U.a. die Sozialwissenschaften und Medienpsychologie entwickeln Prozess-Modelle der Vermittlung von Emotionen durch audiovisuelle Medien, die im Kontext empirischer Untersuchungen entstehen, validiert oder falsifiziert und entsprechend überarbeitet werden. 

Mit dieser vordergründig methodisch begründeten Differenz verbindet sich eine nur selten überbrückte Trennung distinkter theoretischer Diskurse. Hier setzt die Idee einer interdisziplinären Untersuchung der Dynamik der Affizierung durch Filmwissenschaftler und Psychologen an:

  • Die Filmwissenschaft verfügt über ein fundiertes theoretisches Wissen über die zeitliche Organisation audiovisueller Bilder. Mit diesem Wissen verbinden sich komplexe hypothetische Annahmen über das Filmerleben des Zuschauers und dessen zeitliche Entfaltung.
  • Gleichzeitig verfügen Psychologie und Neurowissenschaften über methodische Kompetenzen und empirische Erkenntnisse bezüglich der zeitlichen Verläufe emotionaler Reaktionen von Zuschauern im Kontext konkreter Rezeptionssituationen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die zeitliche Dynamik der Zuschaueraffizierung als ein strategisch geeigneter Ansatzpunkt, die theoretischen Diskurse beider Disziplinen über die empirische Untersuchung gemeinsamer Forschungsfragen zusammenzuführen. Das bewegte Bild und der bewegte Zuschauer gilt es als einen Zusammenhang zu denken: Eine Untersuchung zur Dynamik der Affizierung des Zuschauers durch Film birgt das Potential, die Perspektiven beider Disziplinen zu kombinieren und auf die empirische Forschung zu ästhetischen Strategien auszuweiten. Die gemeinsame Ausgangsfrage dieser Untersuchung lautet dementsprechend:

In welchem Zusammenhang stehen die zeitliche Komposition audiovisueller Bilder und die zeitliche Dynamik des Zuschauergefühls?

Publikationen

Jan-Hendrik Bakels (2014, im Druck) Embodying audio-visual media. Concepts and transdisciplinary perspectives. In: Cornelia Müller, Alan Cienki, Ellen Fricke, Silva H. Ladewig, David McNeill und Jana Bressem (Hg.): Body – Language – Communication. An International Handbook on Multimodality in Human Interaction. (Handbooks of Linguistics and Communication Science 38.1.), Band 2. Berlin/Boston, S. 2048-2061.

Corinna Pehrs, Lorenz Deserno, Jan-Hendrik Bakels, Lorna Schlochtermeier, Hermann Kappelhoff, Arthur M. Jacobs, Tom Fritz, Stefan Koelsch, Lars Kuchinke (2013) How Music Alters a Kiss: Superior Temporal Gyrus Controls Fusiform-Amygdalar Effective Connectivity. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience.

Kappelhoff, H., Bakels, J.-H.: Das Zuschauergefühl - Möglichkeiten empirisch orientierter Filmanalyse. Zeitschrift für Medienwissenschaft Nr. 5 (2/2011).

Kuchinke, L., Kappelhoff, H., Koelsch, S. (2013). Emotion and music in narrative films: a neuroscientific perspective. In: Tan, S.-L.; Cohen, A.; Lipscomb, S.; Kendall, R. (ed.) Psychology of Music in Multimedia.

Pehrs, C.,  Bakels, J., Koelsch, S., Jacobs, A.,  Kuchinke, L. (2011). Modulation der neuronalen Verarbeitung audiovisueller Kussszenen durch Musik. In K. Bittrich, Blankenberger, S. Lukas, J. (Hrsg.). Beiträge zur 53. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (S. 131). Lengerich: Pabst Science Publishers. 

Vorträge (Auswahl)

Pehrs, C., Bakels, J.H., Leder, H., Kappelhoff, H., Koelsch, S., Jacobs, A., Kuchinke, L. (2011). The Modulation of neural processing of audio-visual Kissing Scenes in Romantic Comedies through happy and sad music. 7th Conference of Media Psychology, Bremen.

Bakels, J.; The Way We Feel: The Emerging of Narrative Meaning in Film Experience. Conference: Rethinking Metaphor. Conceptual Integration and Empirical Methods, Murcia / Spanien Mai 2012 (gemeinsam mit Sarah Greifenstein)

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